Das Buch zur SRF Sendung «Der Bestatter» – gedruckt und gebunden von Bubu

Was sind «Setfotos»?

Für einen Film werden Setfotos gemacht. Das sind die Bilder, die wir später in TV-Programmen, auf DVD-Hüllen oder im Internet wiederfinden
Die Herstellung dieser Bilder ist eine sehr technische Angelegenheit: Sobald eine Szene abgedreht ist, stellen die Schauspieler die Szene für die Fotografin noch einmal nach – idealerweise ohne dass der Mund offensteht oder ein Statist in die Kamera schaut. Dabei drängt die Zeit: denn die nächste Einstellung muss bereits eingerichtet und das Licht dafür umgebaut werden.

Etwas anderes als Setfotografie

Sava Hlavacek war sieben Jahre lang die Setfotografin von «Der Bestatter». Für ein, zwei Minuten übernahm sie jeweils das Zepter und dirigierte die Darsteller freundlich aber bestimmt ins Bild, während sie Crewmitglieder mit Scheinwerfern in den Händen bat, kurz Pause zu machen. Sie sorgte dafür, dass die eben abgedrehte Szene noch einmal spürbar wurde – und dann war sie auch schon wieder weg.

Die Bilder in diesem Buch zeigen aber etwas Anderes. Etwas Intimeres. Den Beifang der Setfotografie sozusagen: das, was Sava gesehen hat, während sie auf ihren Einsatz wartete.

Arbeit und Warten

Auf einem Filmset herrscht eine eigentümliche Mischung aus hochkonzentrierter Arbeit und Warten: Während die Crew die nächste Einstellung vorbereitet, Licht und Szenenbild einrichtet, Frisuren oder Kostüme zurechtzupft, warten die Schauspielerinnen und Schauspieler. Plaudern. Albern diskret herum. Oder konzentrieren sich auf die kommende Szene. Der Fokus auf die Klappe, die gleich geschlagen wird, verleiht manchen Gesichtern eine eigentümliche Zartheit und Ernsthaftigkeit. Während gleich nebenan einer ein bisschen Quatsch macht.

Sava schaut hin

Sieben Jahre lang hat Sava diese merkwürdige Gleichzeitigkeit von Warten, Konzentration und Unernst eingefangen. Behutsam legt sie ihren Blick auf das Gewusel am Set, auf die Menschen bei ihrer seltsamen Arbeit oder auch einfach nur auf die Eleganz des Nebels, der zwischen Tannenzweigen hängt und von einem Scheinwerfer tranchiert wird. Das einzige, was wir davon mitbekamen, war gelegentlich ein leises «ah… super!» nach dem Klicken des Verschlusses ihrer Kamera im Halbdunkel. Und wir wussten: Sava schaut hin.

Text von Samuel Streiff

Sava Hlavacek – die Störenfriedin. Die Fotografin über ihre Arbeit am Set

Als ich das erste Mal als Fotografin auf einem Filmset gearbeitet habe, war ich unsicher, auf was ich mich einlasse. Ich wollte wissen, wie ein Film entsteht, mittendrin sein.

Als Fotografin bin ich kein offizielles Crewmitglied, ich bin am Dreh nicht direkt beteiligt. Meine Bilder treten erst später in Erscheinung. Ich komme an ausgewählten Drehtagen aufs Set und muss meinen Platz und mein Tun verteidigen. Das ist manchmal harzig, denn niemand wartet auf mich. Die Unterbrechung zwischen den Einstellungen wird nicht geschätzt, alle wollen weitermachen, und ich halte den Fluss der Dreharbeiten auf – ich bin eine Störung. Ich musste also erst die Mechanismen, den Ablauf und die Zuständigkeiten beim Filmdreh begreifen und herausfinden, mit wem ich mich gut stelle und wie ich mich verhalte.

Und dann sind da die Schauspieler. Die Stars. Diejenigen, die sich exponieren und alle ihre Eigenheiten haben. Auf Schweizer Sets gibt es für die Schauspieler in den Drehpausen praktisch keine Rückzugsmöglichkeiten. Anfangs ist jeweils eine gewisse Scheu vorhanden und ich muss herausfinden, wie ich auf die unterschiedlichen Persönlichkeiten eingehen kann. Das braucht viel Fingerspitzengefühl. Gleichzeitig ist meine eigene Anspannung, in kürzester Zeit brauchbares Bildmaterial zu schiessen, riesig. Für meine eigentliche Arbeit – das Fotografieren der Szenen – habe ich jeweils sehr wenig Zeit. Mit der gewachsenen Erfahrung bin ich entspannter geworden und habe gelernt, mit diesem Zeitdruck umzugehen.

Während der sieben Jahre beim Bestatter ist eine grosse Vertrautheit zwischen den Schauspielern, dem Team und mir entstanden und hat das Fotografieren auf dem Set sehr entspannt. Ich wurde in meiner Arbeit respektiert und unterstützt. Von den Beleuchtern, die für mich auch mal eine Lampe länger brennen liessen oder zusätzlich anstellten. Von den Ausstattern, die ein Requisit wieder an den richtigen Platz rückten. Von der Regie, die zwischendurch verlauten liess: «Sava, das Set ist frei für Dich». Und natürlich auch von den Schauspielern, die bereit waren, eine ganze Szene nachzuspielen, während das restliche Team bereits in der Mittagspause war.

Ein Drehort ist sehr lebendig, es passiert viel, jeder hat seine Aufgabe. Wenn eine neue Spielszene vorbereitet wird, muss ich warten. Dann schärfe ich meine Sinne und beobachte. Ich nutze das Warten und halte Ausschau nach Bildmomenten, die inhaltlich noch eine andere Ebene bedienen, als das Dokumentieren der Bestattergeschichten. Es sind kompositorische Elemente, die eine Rolle spielen. Eine Spiegelung, die den Schauspieler mehrmals zeigt, Details wie Spinnweben, eine präparierte Leiche oder Requisiten, die ihre eigene Geschichte erzählen. Die Schärfe, die eine Person aus ihrer Umgebung herauszuschälen vermag. Szenen von Proben, die durch die Wahl des Ausschnitts, dem Zeitpunkt des Auslösens und der Perspektive, komisch und manchmal auch surreal wirken.

Das sind die Bilder in diesem Buch. In ihnen zeigt sich das Wesen der Fotografie: Das Festhalten von einem ausgewählten Moment. Ein formaler und emotionaler Ausschnitt, welcher sich nicht wiederholen lässt.

Für mich ist dieses Buch ein persönlicher Abschluss von sieben intensiven Sommern. Ich sehe es als Ergänzung zum bewegten Bild, die Möglichkeit innezuhalten und sich zu erinnern, zu schmunzeln und zu entdecken.

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