Gute Neuigkeiten für alle, die schöne Fotobücher gestalten möchten: Ralf Turtschi gibt in seinem neuen «Fotobuchbuch» professionelle Tipps rund um die Gestaltung.
Zu diesem Anlass haben wir es uns natürlich nicht nehmen lassen, ihm einige Fragen zu seinem neusten Werk zu stellen. Mit zahlreichen Kniffen der Profis zeigt er auf, wie es geht und gibt uns hier Einblick in seine Ideenwelt.
Nach deinem Buch «Fotografie für dich», welches im Frühjahr erschien, legst du bereits ein neues Werk auf – diesmal zum Thema Fotobuchgestaltung – was treibt dich um?
Ich habe 2005 mein erstes Fotobuch mit der Software von Bookfactory hergestellt. Bald darauf schrieb ich die Broschüre «Fotobücher gestalten», die bisher drei Auflagen erreichte. Ich habe mich nun entschlossen, daraus ein umfangreiches Buch zu verfassen – insofern ist das Thema für mich als Typograf und Fotograf nicht neu. Gute Bilder haben es verdient, als hochwertige Produkte die nächste Computergeneration zu überdauern. Ich selbst habe über hundert Fotobücher hergestellt, die ich immer wieder mal ansehe. Die Bilder auf DVD oder auf dem Computer hingegen schlummern still vor sich hin. Mit dem Fotobuchbuch will ich meine Erfahrungen mit Fotobuchportalen weitergeben und dazu beitragen, Fotobücher mit Wow-Effekt zu gestalten. Eine Inspirationsquelle, die es so noch nicht gibt.
Warum braucht es ein Buch über die Gestaltung von Fotobüchern? Ist nicht mit der einfachen Plattformbedienung alles klar?
Keineswegs! Ich unterrichte und schreibe schon seit vielen Jahren über Fotobücher und sehe dadurch, wo der Hase im Pfeffer liegt. Es ist ja nicht so, dass jeder, der gute Fotos macht, auch etwas von Layout, Text, Druck, Papier, Bindung und Gestaltung versteht. Fotografen und Fotografinnen vergleiche ich mit Solisten, die ihr Instrument beherrschen. Wer ein tolles Fotobuch herstellt, muss jedoch wie ein Dirigent verschiedene Kompetenzen vereinen: Plötzlich steht nicht mehr das Einzelbild im Fokus, sondern die Komposition auf einer Doppelseite (mit einem Bund dazwischen). Auf der Doppelseite wirken mehrere Bilder zusammen, die sich gegenseitig stören oder ergänzen. Ein Hochformat ist nicht dasselbe wie ein Querformat oder ein quadratisches Format. Der Druck auf verschiedenen Papieren sieht jeweils etwas anders aus, und die Bindetechnik will berücksichtigt sein. Dann gibt es Texte wie Titel oder Bildlegenden zu integrieren, Hintergründe oder anderes. Und wie man Texte formatiert, welche Schriften passen und wie gross man sie gestaltet, das alles steht nicht in der Plattformsoftware. Das Fotobuchbuch enthält alle wichtigen Gestaltungsparameter, die es ermöglichen, ein perfektes Fotobuch zu gestalten. Man braucht dafür kein Gestaltungsgenie zu sein.

Anschaulich bebildert zeigt das Fotobuchbuch die verschiedenen Möglichkeiten der Produktion auf.
Gibt es denn überhaupt eine Regel, nach der man schöne Fotobücher gestalten kann?
Buchgestaltung ist ja nicht eine neue Disziplin. Und schöne Bücher werden jedes Jahr prämiert. Bei Fotobüchern gelten die gleichen Gestaltungsgrundsätze wie bei anderen Printprodukten. Einen davon kann ich nicht genug betonen: weniger ist mehr. Ich empfehle im Durchschnitt nicht mehr als drei Bilder pro Doppelseite. Dies ergibt bei einem Buch von 60 Seiten eine Bilderselektion von 90 Fotos. Auch mit allerlei «Firlefanz» sollte man eher sparsam umgehen. Rahmen, Schattierungen, oder Clip-Art-Elemente stören oft die Fotos. All die Anwendungen zeige ich im Fotobuchbuch auf – was funktioniert und was nicht.

18 Layout-Tipps für Dummies zeigen, was funktioniert und was nicht.
Was können Leserinnen und Leser vom Fotobuchbuch erwarten?
Ich habe darin alle Aspekte aufgegriffen, die bei der Gestaltung und Produktion von Fotobüchern wichtig sind. Das Fotobuchbuch ist herstellerunabhängig geschrieben, denn die gute Gestaltung ist nicht von einer bestimmten Plattform abhängig. Ich wende mich damit an Bildermacher, die Wert darauf legen, dass ansprechende Fotos auch entsprechend in einem Buch präsentiert werden. Wenn Fotobücher so aussehen wie der fotobepinnte Kühlschrank, dann erlöscht doch jeder fotografische Anspruch. Wer das Fotobuchbuch als Arbeitsinstrument immer wieder benützt, der wird garantiert zu besseren Resultaten gelangen. Dutzende von Tipps und Layoutbeispielen zeigen auf, wie ein Profi Fotobücher herstellt.

Praktische Anwendungsbeispiele mit Vermassungen zeigen den Aufbau und die Anwendung.
Für wie wichtig hältst du die äussere Form, das Papier und die Bindung?
Die Haptik ist im digitalen Zeitalter wieder wichtig. Fotos auf dem winzigen Handy zu betrachten, sie sekundenschnell wegzuwischen und zum nächsten überzugehen, hat mit fotografischer Kontemplation nichts zu tun. Papier in den Händen zu halten, darin langsam zu blättern, und tolle Fotos in brillanter Schärfe bis zum Format A3 zu geniessen, ist unvergleichlich. Ich schätze es, verschiedene Papieren einzusetzen, ob Naturpapier, gestrichenes weisses Papier oder eine chemische Fotopapierbelichtung. Passend zum Thema gewählt, ist das Resultat doch etwas völlig anderes als auf dem Handy. Natürlich bin ich als Typograf Fan von einer perfekten Bindung. Gerade bei Bookfactory findest du eine riesige Auswahl an Buchgrössen in unterschiedlichen Papieren und Papierdicken, die mit Klebebindung und Hardcover, Softcover mit Fadenheftung, Drahtheftung oder Wire-O-Bindung gefertigt werden. Neu ist sogar ein Kleinformat 14 × 14 cm mit abgerundeten Ecken möglich, es heisst Flex.
Welche Fehler siehst du am häufigsten?
Es ist meistens eine Häufung von laienhaftem Bildverständnis, die ein weniger vorteilhaftes Gesamtbild abgeben. In erster Linie sind es natürlich die guten Fotos, die für sich sprechen. Im Fotobuch wird der RGB-Farbraum der Kamera in den CMYK-Farbraum des Drucks umgerechnet. Dabei bleiben einige Farben auf der Strecke. Saftige grüne Wiesen werden oft zu dunkel oder zu stumpf wiedergegeben. Das Verständnis, was im Druck passiert, versuche ich in einem zweiten technischen Kapitel zu wecken. Dort ist verständlich beschrieben, was im Druck oder der Fotopapierbelichtung passiert und weshalb man den Screen besser nicht mit dem Druck oder der Fotopapierbelichtung vergleichen sollte.
Typografisch gesehen werden Texte oft über die ganze Seitenbreite geschrieben, so wie man’s im Word halt auch macht. In einer zu grossen Schrift sieht es aus wie in einem Kinderbuch. Lesetexte sollten in den Grössen 9, 10 oder 11 Punkt geschrieben werden. Mengentexte sehen professioneller aus, wenn sie in zwei oder drei Spalten aufgeteilt werden.
Du bist ein Fan von Struktur und Ordnung – warum kein Chaos im Fotobuch?
Gestalten heisst immer Ordnung schaffen. Das Chaos entsteht von selbst und braucht nicht erlernt zu werden! Umgesetzt im Layout heisst dies: unterschiedliche Bildgrössen, Proportionen, Positionierungen, Farben, Bildarten, Rahmen, Texten usw. In meiner Sichtweise zeige ich auf, wie gestalterische Prinzipien funktionieren und wie man auf der Designachse Ordnung–Chaos gekonnt variiert. Auch hier gilt meistens: weniger ist mehr.

Viele Tipps rund um die Umschlaggestaltung mit Text und Foto.
In Büchern, Zeitungen oder Magazinen ist immer wieder von Satzspiegel die Rede. Was meinst du dazu?
Als Satzspiegel wird ein Grundgerüst verstanden, nach dem wiederkehrende Elemente gleich ausgerichtet werden können. Zum Beispiel die Seitenränder, die auf jeder linken und rechten Seite jeweils gleich sein sollten. Bookfactory basiert auf einem professionellen Gestaltungsraster, welcher die Seiten beliebig in Rasterzellen einteilt, die eine schnelle und einheitliche Positionierung ermöglichen. Ich selbst habe in den Anfangszeiten dieses Rasterzellensystem für Bookfactory entwickelt, es arbeitet viel effizienter als die sonst üblichen Häuschensysteme.

Als Bindung hast du die Schweizer Broschur mit offener Fadenheftung gewählt. Weshalb?
Das Buch ist im eigentlichen Sinn ein Lehrheft zum Nachschlagen, um vielerlei Ideen zu erhalten, um Hineinzuschreiben, sich Notizen zu machen. Das Naturpapier Lessebo lässt sich gut beschreiben und so ist die Schweizer Broschur mit dem offener Fadenheftung eine Einladung zum intensiven lernenden Gebrauch.

Bei der Schweizer Broschur mit offener Fadenheftung sieht man die Fadenheftung.
Zuletzt fünf wichtige Tipps für die Fotobuchgestaltung?
1. Die Planung ist ganz wichtig. Auf dem Papier sich einmal die Fotostrecken und die inhaltliche Struktur festlegen.
2. Die Grösse des Buches und die Materialwahl festlegen. Damit nicht lange zögern, denn ein gutes Fotobuch ist nicht von der Grösse abhängig. Ein nächstes Fotobuch kannst du auch in einen anderen Format probieren.
3. Ein Fotobuch ist nicht ein Bildarchiv in gedruckter Form. Zeige nur wirklich gute Fotos. Ein paar herausragende Fotos inmitten von durchschnittlichen Bildern macht das Produkt zu einem 08/15-Buch.
4. Achte auch die Gleichartigkeit. Wenn Bildart, Ränder (jeweils oben, links, rechts und unten separat), Bildgrössen, Textgrössen, Positionierungen vereinheitlicht werden können, so tu es.
5. Hab keine Angst, Fehler zu machen. Alle machen Fehler! Expertise und Meisterschaft entstehen erst durch das Zulassen von Fehlern. Eigene Fehler zu reflektieren, um daraus zu lernen, gilt in der Fotografie aber auch in der Fotobuchgestaltung.
Wir danken dir für das Gespräch – viel Erfolg mit deinem Buch!

Ralf Turtschi; Fotografie für dich; 272 Seiten, Hardcover mit Klebebindung und rundem Rücken, mit über 750 Fotos und Abbildungen; Preis Fr. 40.– (exkl. Versand/Verpackung); enthaltend zwei Gutscheine, einer über Fr. 30.– von Bookfactory, einer über Fr. 20.– von Printolino. Eigenverlag.
Infos und Bestellungen über den Webshop direkt beim Verlag: turtschi.medienwerkstatt-ag.ch oder im Buchhandel.