Hannes Schmid: Der Fotograf von AC/DC, ABBA und Freddie Mercury

Der international renommierte Künstler und Gründer des Hilfswerks Smiling Gecko Hannes Schmid ist ein Visionär, der die Kunst und sein soziales Engagement in Kambodscha auf einzigartige Weise miteinander zu verbinden weiss. Der für sein fotografisches Werk vielfach ausgezeichnete Schmid schaut auf mehr als fünf Jahrzehnte des kreativen Schaffens zurück, das ihn um die ganze Welt geführt hat. Ob für Modeshootings in den Dschungel Borneos, als Zeuge des aussergewöhnlichen Lebens der Mennoniten in Belize oder als Teil einer chinesischen, taoistischen rituellen Strassenoper in Singapur: Hannes Schmid war mit der Kamera hautnah dabei und schuf so Bilder, die fesselnde Geschichten erzählen. Stellvertretend sei hier unbedingt auch seine Neuinterpretationen des legendären «Malboro Man» für Philip Morris genannt, die zwischen 1993 und 2002 das Bild der Marke prägten.

Wir haben Hannes Schmid im Vorfeld der «Photo Münsingen 2024» getroffen, wo er ausgewählte Werke seines mehr als 70’000 Aufnahmen umfassenden Archivs von Rockstars präsentiert. Wir sprachen mit ihm über seine Fotografie sowie sein Hilfsprojekt Smiling Gecko.


Du bist gelernter Elektriker, wie kamst du zur Fotografie? 

Nun, das war wohl eher ein Zufall oder sollte ich Schicksal sagen? 1968 bin ich mit ein paar Freunden aus dem Toggenburg nach Südafrika gegangen, um dort als Elektriker zu arbeiten. Das Land war so vollkommen anders als alles, was ich zuvor gesehen hatte. Ich war fasziniert und wollte meine Eindrücke festhalten. Also habe ich mir eine Kamera gekauft. Die Filme schickte ich jeweils nach Hause in die Schweiz, weil ich vor Ort niemand fand, der sie hätte entwickeln können. Meine Schwester gab mir dann in Briefen ein laienhaftes Feedback, wie die Fotonegative für sie aussahen. Ich selbst habe in den ersten vier Jahre kein einziges meiner Fotos selbst gesehen. Und bis heute ist es so, dass mich der Akt des Fotografierens deutlich mehr interessiert als das Ergebnis selbst. Meine Bilder mögen eine starke Wirkung auf den Betrachter haben, aber sie bilden deswegen natürlich trotzdem nicht unbedingt das ab, was ich in dem Moment fühlte, als ich auf den Auslöser gedrückt habe.


Weshalb bist du für längere Zeit nach Afrika gereist und hast dich gegen ein «gewöhnliches Leben» in der Schweiz entschieden?

Ich bin ein sehr neugieriger Mensch. Irgendwann ist mir unsere beschauliche Schweiz zu klein geworden. Darum der Schritt in den Süden. Die Auswanderung war ein Schock für meine Eltern, aber ich wollte etwas erleben und empfand nie Angst bei meinen Entscheidungen. Auch wenn sich diese teilweise als haarsträubend herausstellten. Wie zum Beispiel meine Idee, mich 1974 auf die Suche nach dem Milliardär Micheal Rockefeller zu machen, der von einer Expedition zu den Kannibalen-Stämmen der Danis und Lanis in Irian Jaya (Westpapua, Indonesien) nicht zurückgekehrt war. Mich faszinierte die Geschichte und ich heuerte als Hilfskoch auf einem Schiff an, das mich an die Küste brachte. Dort begab ich mich in den Urwald und wurde kurze Zeit später selbst von den Kannibalen gefangen genommen. Sie sperrten mich in einen Schweinestall und schlugen mich immer wieder. Irgendwann konnte ich glücklicherweise fliehen. Heute weiss ich: Überlebt habe ich damals nur, weil mich die Krieger nicht als männlich genug erachtetet, um mich zu töten. Ich wurde an einem Strand gefunden. Schwer an Typhus und Malaria erkrankt und auf 32 Kilo abgemagert. Es dauerte ein Jahr, bis ich mich von diesem Abenteuer erholt hatte. 


Zwischen 1978 und 1984 hast du als Fotograf über 250 Rockbands auf Tournee begleitet. Wie hast du es geschafft, so viele legendäre Bands für deine Fotografie zu gewinnen und welche Herausforderungen gab es dabei?

Durch einen Freund hatte ich die Gelegenheit, im Backstage Bereich eines Konzerts den Manager der Band Status Quo kennenzulernen. Als er erfuhr, dass ich zuvor von Kannibalen gefangen gehalten wurde, sagte er, ich hätte den richtigen Spirit und müsse seine Band fotografieren. Die Musiker selbst hatte eine starke Abneigung gegen Fotografen, aber auch bei ihnen halfen mir meine Kannibalengeschichte. So kam ich ins Musikbusiness. Ich war nie Fan und konnte mit der Musik wenig anfangen. Aber mich interessierten die Menschen und ihre Einstellung. Rockmusik war damals eine Revolution gegen die konservative Gesellschaft. Das gefiel mir. Während der Tourneen wurde ich Teil der Crews und oft genug auch Teil der Familien. Ich denke, genau das machte meine Fotos so intim und authentisch.


Welche besonderen Momente oder Begegnungen sind dir besonders im Gedächtnis geblieben?

So viel Zeit haben wir nicht. (Schmunzelt.) Aber vielleicht kann ich sagen: Ich habe damals wie auch danach keinen einzigen Tag in meinem Leben als Fotograf gearbeitet. Ich habe das gemacht, was ich liebe, und so war jeder Tag etwas Besonderes! Auf meinem Weg bin ich vielen inspirierenden Persönlichkeiten begegnet, darunter Freddie Mercury, Bob Marley oder auch Agneta Fältskog von ABBA. Mit allen verband mich mehr als nur eine berufliche Beziehung.


Welche Merkmale haben gute Fotos für dich? Gibt es eine Zauberformel, wie ein gutes Foto entsteht? Und was ich für dich wichtig, wenn es um die Gestaltung von Büchern geht?

Fotografie muss man leben, nicht nur erleben! Man muss Teil davon werden. Diese Einstellung hilft auch bei der Gestaltung von Büchern. Sie sollen nicht dokumentieren, sondern animieren. Ich finde, bei der Gestaltung des neuen Buchs «Time of Icons, Icons of Time» ist uns das sehr gut gelungen. Ich war sehr angetan, als ich das erste Exemplar der limitierten Auflage bei euch in Mönchaltdorf in den Händen halten durfte. Durch die flachaufliegenden Seiten der Flatbook-Bindung konnten wir die Bilder deutlich grösser und somit auch noch lebendiger machen. Auch das gewählte matte Papier und die Titelveredelungen haben mich direkt überzeugt. Zum Fotobuch Premium Flat


2012 hast du Smiling Gecko in der Schweiz gegründet. Eine NGO, die der extrem armen Landbevölkerung in Kambodscha durch Bildung einen Weg in eine bessere Zukunft ebnet. Wir könnten hier jetzt viel von eurer eindrucksvollen Website zitieren, aber lass und doch auch über dieses Thema lieber persönlich sprechen.


Was hat dich dazu inspiriert, Smiling Gecko ins Leben zu rufen?

Auslöser war meine erste schicksalhafte Begegnung mit einer kambodschanischen Bettelpuppe. Ein kleines Mädchen, deren Vater das Gesicht sowie den Oberkörper des Kinds mit einem Bunsenbrenner völlig entstellt haben musste, um so höhere Geldbeträge erbetteln zu können. So etwas hatte selbst ich noch nie in meinem Leben gesehen. Ich ging der Geschichte nach und stiess in Kambodschas Hauptstadt Phnom Penh auf zahlreiche ähnliche Fälle. Welche Not müssen Menschen leiden, um ihren Kindern so etwas anzutun? Ich ging in die Slums der Stadt und lebte eine ganze Zeit auf einer Müllhalde. Die Menschen, die ich hier kennenlernte, haben mich sehr berührt. Kurzerhand entschloss ich mich, 250 Kinder von der Müllhalde in eine staatliche Schule zu stecken. Ich zahlte ihre Schulgebühren und kaufte ihnen Schuluniformen. Nach einer Weile habe ich dann aber feststellen müssen, dass meine Kinder in der Schule nichts lernten. Ganz einfach, weil diese Schule – so wie die meisten des Landes – einfach viel zu schlecht war. So habe ich dann 2014 Smiling Gecko in Kambodscha ins Leben gerufen. Ich wollte die Slum Familien aus dem Elend holen und den Kindern eine richtige Ausbildung ermöglichen. Gemeinsam mit Partnern kaufte ich nördlich von Phnom Penh die ersten 9 Hektar Land. Heute sind es 150. Auf dem Smiling Gecko Educational Campus haben wir jetzt unter anderem eine Schule nach westlichem Vorbild, handwerkliche Ausbildungsbetriebe, eine funktionierende Landwirtschaft und mit dem Farmhouse Resort eins der besten Hotels des Landes.


Das klingt spektakulär. Kannst du konkrete Erfolgsgeschichten oder Auswirkungen von Smiling Gecko auf das Leben der Menschen in Kambodscha teilen?

Smiling Gecko ist sehr gewachsen seit der Gründung! Aber nicht nur wir als Organisation, sondern auch die Kinder, die bei uns teilweise seit mittlerweile sieben Jahren in die Schule gehen. Durch die gute Schul-Ernährung und die Gesundheitsversorgung durch uns, sind diese Kinder bis zu 20% grösser als Kinder vergleichbaren Alters in der Region. Die Kinder sind sozial gebildet, eigenständig und haben Ziele. Frauen und Mädchen werden in Kambodscha zum Beispiel immer noch unterdrückt. Bei Smiling Gecko lernen sie, Nein zu sagen. Das macht mich stolz. Das macht aber vor allem auch die Kinder und ihre Familien stolz.


Wie können Menschen, die Smiling Gecko unterstützen möchten, helfen oder sich engagieren?

Es gibt verschiedene Arten, wie man Smiling Gecko unterstützen kann. Ein Weg ist zum Beispiel ist unser Stipendienprogramm, bei dem die Förderer das Schulgeld eines Kindes übernehmen. Für derzeit 3’600 Franken ist dann das komplette Lernprogramm, die medizinische Versorgung, die individuelle Hygiene sowie die Schulverpflegung eines Kindes für ein Jahr abgesichert. Aber natürlich freuen wir uns auch über einmalige, kleinere Spenden. 

Ich möchte mich engagieren: Was sie tun können – Smiling Gecko

Weitere Informationen zu Smiling Gecko
Eine Übersicht über unser Engagement – Smiling Gecko

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