Thomas Crauwels: «Ich habe nur ein Leben und das möchte ich den Alpen widmen.»

Ursprünglich aus Belgien, fand Thomas Crauwels in der Schweiz überraschend seine grosse Leidenschaft: die Bergfotografie. In seinen Aufnahmen fängt er die atemberaubende Schönheit der Alpen ein – bevorzugt bei vermeintlich schlechtem Wetter. Dann erst wirkt der Kontrast zwischen Felsen, Schnee, Eis und Wolken besonders eindrücklich und löst das gewünschte Gefühl bei ihm aus. Er fertigt Zeitdokumente unserer Natur, um die Vergänglichkeit festzuhalten. Wir durften ihm ein paar Fragen stellen und sind einmal mehr überrascht, wie schnell ein einziger Moment das ganze Leben verändern kann.

Thomas, vor etwa einem Jahrzehnt haben Sie das flache Belgien in Richtung alpine Schweiz verlassen. Ihre Liebe zu den Alpen ist also eher ungewöhnlich, dafür aber umso sympathischer.
Gab es einen entscheidenden Moment, dem Sie Ihre Leidenschaft für die Berge verdanken?

Ursprünglich bin ich aus einem persönlichen Grund in die Schweiz gekommen, es hatte nichts mit den Bergen zu tun. Tatsächlich waren die Alpen für mich ein völlig unbekanntes Universum, ebenso wie die Fotografie. Kaum in Genf angekommen, begann ich als naturverbundener Mensch die Berge um mich herum zu entdecken. Natürlich war ich ein echter Neuling. Ich habe versucht, Berge im Winter mit Laufschuhen zu besteigen. Das hat am Anfang nicht so gut funktioniert…
Dann habe ich es doch geschafft, meinen ersten Gipfel im Sommer zu erreichen: Le Reculet – 1717 m. Das Erreichen des Gipfels erfüllte mich mit dem unglaublichen Gefühl von Frieden, Freiheit und persönlicher Zufriedenheit.

Ich wollte die Schönheit der Schweiz mit meinen Freunden teilen, die in Belgien lebten – also kaufte ich eine Kamera. So ausgerüstet war ich durstig, Bilder zu machen und ich begann viel zu wandern, um die Alpen zu entdecken. Ich erinnere mich sehr gut an den Tag, der alles für mich veränderte.
Es war im Sommer 2011, als ich zur Cabane des Dix im Wallis aufbrach. Die Wanderung war wirklich unglaublich. Man geht durch alle alpinen Vegetationsschichten, bevor man das mineralische Universum erreicht. Von der Hütte aus kann man den Gletscher von Cheilon (das, was davon übrig ist) und den Mont Blanc de Cheillon (ein unglaublich schöner Gipfel) sehen. Diesen Gletscher und diesen Felsgipfel mit hängendem Gletscher zu sehen, berührte etwas sehr tief in mir. Ich wusste sofort, dass es mein Lebensziel sein würde, diese Landschaften zu fotografieren.
Seitdem ist es meine Mission, unglaubliche Stimmungen auf den Gipfeln der Alpen einzufangen.

Biancograt, Roseg

Was reizt Sie besonders an der Schwarz-Weiss-Fotografie von alpinen Motiven? Das Wallis und das Engadin waren schon oft das Vorbild für Ihre Kamera, was ist der Grund dafür und was steht noch auf Ihrer Schweizer «Bucket List»?

Schwarz und Weiss sind für mich etwas Selbstverständliches. Es ist die Art wie ich die Berge sehe. Es geht um die Balance der Kontraste zwischen den Felsen, dem Schnee/Eis und den Wolken. Ich denke es ist einfacher in Schwarz-Weiss Emotionen zu übertragen. Das hilft mir dabei den Betrachter dazu zu bringen, die Grösse und Schönheit zu fühlen, die ich teilen möchte.

Als Belgier, der den Schnee bis auf 2 Tage im Jahr nicht wirklich kennt, fühle ich mich von den höchsten Gipfeln der Alpen mit ihren Gletschern und scharfen Felswänden sehr angezogen. Deshalb habe ich viel im Wallis, im Oberland, im Engadin und in Chamonix gearbeitet – eben den Orten, wo die unglaublichsten Gipfel zu finden sind! Nachdem ich die letzten 10 Jahre auf den höchsten Gipfeln gearbeitet habe, möchte ich mir die Zeit nehmen, um auf den Gipfeln in geringerer Höhe zu arbeiten. Ich habe bereits damit begonnen, aber es ist wirklich eine Herausforderung für mich… Ein Baum, selbst mit viel Schnee darauf, gibt mir nicht das gleiche Gefühl wie ein hängender Gletscher!

Eiger – Mönch – Jungfrau «Château dans le ciel»

Sie bezeichnen sich selbst als Nachfolger der Alpenmaler und -fotografen des 18. und 19. Jahrhunderts. Was reizt Sie an der Bergfotografie und welche Botschaften wollen Sie mit Ihren Bildern vermitteln? Die Kraft der Natur? Die vom Menschen verursachte Veränderung der Berge? Den Geist von Abenteuer und Sehnsucht?

In erster Linie mache ich es, weil es das ist, was ich im Leben liebe und wovon ich glaube, dass ich dazu bestimmt bin, es zu tun. Ich kann Tage in meinem Zelt verbringen und auf die perfekten Bedingungen warten oder viele Stunden laufen, um einen besonderen Aussichtspunkt zu erreichen – Die Leidenschaft für die Alpen gibt mir diese Energie.

Als die globale Erwärmung zu einer unbestreitbaren Realität wurde, verstand ich den Sinn meiner Suche nach der Schönheit der Berge. Man kann die Klima-Erwärmung nicht leugnen, wenn man sieht wie Gletscherwände einstürzen, Gletscher verschwinden und die Natur andere Schäden nimmt. So wurde mir klar, dass es neben der Schönheit und Grösse, die ich vermitteln möchte, nun auch eine dokumentarische und historische Seite meiner Arbeit gibt. All diese Orte, die mich inspirieren, verändern sich leider und sie verändern sich schnell!

Durch die Malerei des 18. und 19. und den Beginn der Fotografie haben wir glücklicherweise ein paar Momentaufnahmen und ich denke, dass meine Arbeit in der Zukunft erwähnt werden wird, um zu zeigen, wie die Alpen in dieser Periode der Menschheit waren.

Eiger – Mönch – Jungfrau

So wie Ihre Fotografie gewachsen ist, so sind auch Ihre bergsteigerischen Fähigkeiten gewachsen. Sie haben sich von einem erfahrenen Wanderer zu einem Alpinisten entwickelt. Haben Sie auch die Berge bestiegen, die Ihre Musen sind?

Ich habe eine besondere Verbindung zu den Gipfeln der Alpen, aber besonders zum Matterhorn. Es für mich eine unerschöpfliche Quelle der Inspiration. Jedes Mal, wenn ich es sehe, gibt es mir das Gefühl, dass wir uns zum ersten Mal treffen!
Die 4000er Gipfel haben eine magnetische Wirkung auf mich und diese starke Verbindung zu den grossen Alpen lässt mich wissen, dass meine Suche nie zu Ende sein wird. Es wird immer neue Wolken-Licht Kombinationen und besondere Schneeverhältnissen auf den Oberflächen geben, die es einzufangen gilt.
Für mich bedeutet diese Verbundenheit auch eine Verpflichtung immer verfügbar zu sein. Jeden Moment könnte ein spezieller Moment eintreten. Also bedeutet das jeden Tag mehrmals das Wetter zu überprüfen, mehrmals am Tag, fit und bereit zu sein. Je mehr man sich in einem Projekt engagiert, desto stärker wird man auch mit ihm verbunden.

Nach 10 Jahren Fotografie habe ich endlich auch die Reife erreicht, in die Berge zu gehen, um etwas anderes als Fotografie zu machen. Letztes Jahr habe ich mit der Besteigung der von mir abgelichteten Gipfel begonnen. Dabei hatte ich die Chance, den Matterhorn-Gipfel und die anderen 4000er der Gegend zu erreichen. (Die Kamera hatte ich vorsichtshalber in der Tasche, aber das Ziel war das Erreichen des Gipfels!)

Finsteraarhorn

Wird es in Zukunft auch Aufnahmen aus anderen Ländern zu bestaunen geben?

Ich hatte letztes Jahr die Chance, die 6000er der Cordillera Huayhuash in Peru zu entdecken. Ein großartiger Trek von 10 Tagen mit unglaublichen Gipfeln. Natürlich hatte ich meine Kamera dabei und habe einige Fotos gemacht, aber diese Fotos haben nicht den gleichen Geschmack wie die der Alpen. Ich weiss, dass ich es so viel besser hätte machen können, wäre ich mehrere Monate in diesem Gebiet geblieben…
Ich habe nur ein Leben und das möchte ich den Alpen widmen!

Pizzo Bianco

Haben Sie einen Tipp für unsere Leser, was sollte in der Fotoausrüstung für die alpinen Regionen nicht fehlen, worauf sollten sie besonders achten?

Ich glaube wirklich, dass es bei guten Bildern nicht auf die Ausrüstung ankommt. Natürlich sollte man seine Kamera beherrschen und sie bedienen können, ohne über die Ausstattung nachzudenken.
Das Wichtigste ist, etwas zu fotografieren, das man liebt. Nur so hat man die Leidenschaft und Energie, Zeit mit Experimenten zu verbringen, zu scheitern, wieder auf den Punkt zu kommen, Erfolg zu haben, wieder zu scheitern, Erfolg zu haben usw. Das ist der Weg, um in der Fotografie zu wachsen, und es ist derselbe in jeder Disziplin des Lebens.

Um etwas praktischer zu sein, würde ich sagen, dass man sich warm anziehen und wohl fühlen muss, wenn man in den Bergen arbeiten will. Nehmen Sie deshalb immer warme Kleidung, eine Bettdecke, ein gutes Zelt usw. mit.
Ich erinnere mich: Als ich anfing, hatte ich nicht viel Ausrüstung und die Nächte waren manchmal kalt!

Thomas Crauwels

Mehr Fotos und aktuelle Informationen auf der Webseite von Thomas Crauwels: 
www.thomascrauwels.ch

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Titelbild: Matterhorn, Obergabelhorn

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